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Reportage: Eine sinfonische Reise an einem Dienstagabend

Konzertorchester Koblenz gastiert am 9. April 2016 in der Rhein-Mosel-Halle

Fünf Treppen muss man steigen, um Koblenz‘ renommiertestes sinfonisches Blasorchester zu besuchen. Aber die Mühe lohnt sich, denn man steht hoch über der Stadt in einer neuen Welt. Musikalisch und persönlich. Dvorak würde wohl nicht schlecht staunen, wenn man ihm die Transkription seiner im Original für Sinfonieorchester geschriebenen Sinfonie zu Gehör bringen würde. Hier erklingt sie schon fast in Aufführungsqualität.

Jung und Alt musizieren gemeinsam

(Foto: Bernhard Meffert)

Eberhard Türk (82) sitzt im Orchester unmittelbar bei Clara Wagner (10) und die beiden proben intensiv im Klarinettenregister, das hier sehr gefordert ist: „Wir wollen ja die sonst besetzten Streicher nicht nur ersetzen , sondern nach Möglichkeit noch übertreffen“, scherzt der Senior des Orchesters, der seit seinem zehnten Lebensjahr der Klarinette treu ist und mit seiner Spielfreude und seinem Können Vorbild für Klara ist. „Ich finde es toll, dass hier im Orchester das Alter keine Rolle spielt. Unser Dirigent Christoph Engers behandelt uns alle gleich. Hier spielt nur die Qualität der Musik eine Rolle. Und Eberhard ist wirklich cool. Wie der im Dixieland-Teil von „Oh when the saints“ als Solist abgeht…“ grinst die Gymnasiastin, die wie Mutter Juliane, Vater Ferdinand und Bruder Lorenz im Orchester aktiv ist. Auch wenn Ferdinand Wagner heute erst etwas später dazu stößt: „Der Job… Immerhin ist die Familie zumindest jetzt fast vollzählig zusammen“ bemerkt er lakonisch, auch wenn ein weiteres Familienmitglied zu den Streichern gehört und deshalb naturgemäß dem sinfonischen Blasorchester nicht angehören kann.

(Foto: Bernhard Meffert)

„Beim letzten Probenwochenende war er dennoch dabei und hat abends nach Probenende mit uns gespielt.“ „Wir haben ja nichts gegen Geiger…“ meint Bruder Lorenz (15) mit gespielt mitleidigem Lächeln, der als Perkussionist zwar hinten im Orchester, nicht aber im Hintergrund bleibt. Wenn während der Probe die Sinfonie ansteht, wird es rasant. „Wir spielen mit meist drei Perkussionisten mindestens fünf Stimmen. Da muss man ständig die Instrumente wechseln.“ So flitzt Lorenz dann vom Marimbaphon zu den Kesselpauken und von dort zur großen Trommel. An jedem Instrument steht ein Notenpult, und Lorenz muss blitzschnell die Stelle finden, die er als nächstes auf dem jeweiligen Instrument zu spielen hat: „Das ist schon stressig, macht aber auch Spaß. Mit jeweils einem Instrument wären wir im Schlagwerk ja gar nicht ausgelastet…“, witzelt der Gymnasiast aus Dreikirchen im Westerwald.

Herausfordernde Aufgaben

(Foto: Bernhard Meffert)

Ebenfalls im Hintergrund aber unübersehbar spielt Michael Göddertz Tuba. Der Vorsitzende des Orchesters bedient ein Instrument, das schon aufgrund seines Gewichts einen ganzen Mann erfordert. „So um die 10kg wiegt die Tuba schon“. Ist die Bürde des Vorsitzes da im Vergleich leichter? „Ganz bestimmt nicht“ widerspricht der 48jährige Koblenz-Arenberger, der in seiner Freizeit zugleich noch Herr von 800.000 Bienen ist. „Die Bienenstöcke zu organisieren ist vergleichsweise einfach. Als Orchester haben wir momentan keinen adäquaten Probensaal und ohne Aufzug in den fünften Stock müssen wir die schweren Schlaginstrumente im Anhänger lassen. Auch die Finanzierung eines Orchesters ist heute eine echte Herausforderung.“

Vitrine, Foto: Ulrike AnhammKaum zu glauben, wenn man an den großen Erfolg der Brunnensinfonie 2014 denkt, bei dem das Orchester der Stadt Koblenz vor ausverkauftem Haus ein musikalisches Geschenk machte, das bereits eine Vitrine im Museum und die Plattenregale vieler Koblenzer schmückt. „Tatsächlich haben wir dieses Geschenk nur machen können, weil wir viele Sponsoren hatten, die uns für dieses Projekt großzügig unterstützt haben. Und natürlich eine Schirmherrin, die unbezahlbar ist“, spielt Göddertz auf die First Lady Christiane E. Herzog an, die inzwischen Ehrenmitglied ist. „Ohne sie wäre das Projekt nicht möglich gewesen und dennoch blieb am Ende kein Gewinn für uns. Das ist aber auch okay, denn wir wollten die Sinfonie ja verschenken“. Auf die vielen früheren Konzertreisen nach Übersee angesprochen, die doch sicher auch viel Geld gekostet haben, reagiert Schatzmeisterin Verena Müller fast melancholisch. „Als Werksorchester der Deutschen Bundespost waren solche Reisen noch möglich. Nach der Privatisierung der Post müssen wir als eingetragener Verein mit nur 60 Mitgliedern, aber monatlichen Kosten für Dirigent, Großinstrumente, Noten und Probenlokal, einfach rechnen. Solche Reisen sind heute daher einfach nicht mehr möglich.“ Und Peter Didinger, stellv. Vorsitzender ergänzt: „Heute ist unsere Aufgabe als Vorstand, über Auftritte die normalen Ausgaben zu decken, bevor wir überhaupt über solche Projekte nachdenken können. Da aber die Kulturbudgets der Städte ständig sinken, gibt es immer weniger regelmäßige bezahlte Engagements, auf die wir früher verlässlich bauen konnten.“

Vorfreude auf das nächste Konzert

(Foto: Bernhard Meffert)

Wie sich der Vorstand die Zukunft des Orchesters vorstellt, wird klar, wenn die Musiker vom bevorstehenden Konzert in der Rhein-Mosel-Halle schwärmen: „Das Lampenfieber steigt“ berichten die Instrumentalisten übereinstimmend. „Wir wollen die Zuhörer nach Nord- und Südamerika entführen und ihnen zeigen, wie vielfältig die Musik aus und über diese beiden Subkontinente ist“, freut sich Dirigent Christoph Engers. Der 47jährige aus Dreikirchen, beruflich als Klarinettist und Pianist im Spitzenorchester der Bundeswehr in Siegburg aktiv, hat Respekt vor seinen 60 Musikern und Musikerinnen: „Von der 10jährigen Schülerin bis zum Manager, alle haben einen harten Tag hinter sich, wenn wir um 18 Uhr mit der Probe beginnen. Jeder reißt sich zusammen und bringt ein Maß an Spielfreude mit, das für den Amateurbereich außergewöhnlich ist.“ Christoph Engers hat einen Traum, der seinen Respekt auf den Punkt bringt: „Würde ich im Lotto gewinnen und könnte mein Orchester für ein Jahr aus den beruflichen Verpflichtungen frei kaufen – ich bin mir sicher, dass das Konzertorchester Koblenz ganz in der Nähe von professionellen sinfonischen Blasorchestern spielen könnte.“

Aber auch jetzt, das zeigt dieser Abend, müssen sich die ambitionierten Amateure keineswegs verstecken. Ob Klassik, Jazz oder Pop, die Musiker und Musikerinnen aus dem gesamten nördlichen Rheinland-Pfalz arbeiten konzentriert an der Vorbereitung des Konzerts am 9. April. „Die Rhein-Mosel-Halle ist seit der Welturaufführung der Brunnensinfonie endlich wieder unser Heimspielort. Die Akustik, die Atmosphäre und die Ausstattung machen uns einfach Freude“ findet Göddertz. „Wir freuen uns besonders auf unsere Gastsängerin Sarah Pfaff – sie hat eine tolle Stimme und trotz ihrer jungen Jahren eine eindrucksvolle Bühnenpräsenz. Sie zu präsentieren macht Spaß und wir halten uns gerne als Orchester zurück, um ihrer Stimme den nötigen Raum zu geben“ verspricht Michael Göddertz und ist sich sicher: „Die Kombination aus Konzertorchester Koblenz und Sarah Pfaff wird verzaubern!“